I2ch habe schon einmal über Nicky geschrieben. Er hat Zerebralparese, spricht nicht. Er ist ein wunderbarer Mensch, der sehr viel über alles mögliche und unmögliche lacht. Nun gibt es in Irland seit einigen Jahren eine Organisation namens "HIQA" (Health Information Quality Association). Diese soll sicherstellen, dass der Umgang mit Menschen mit Behinderung besser beaufsichtigt wird. Was eigentlich zum Schutze dieser Menschen dienen sollte, macht gerade das Leben vieler, die in Camphills leben, sehr schwierig.
Durch HIQA entwickelten sich die Gesetze rasant von "nahezu nicht vorhanden" zu "extremer Kontrolle über jeden Bereich des Lebens". Es gibt vorgeschriebene Protokolle für jede erdenkliche Situation, für jede Aktivität muss ein "Riskassessment" angefertigt werden, quasi eine schriftliche Abwägung über die Risiken der Aktivität. Das schränkt das Leben aller sehr ein, doch in Bezug auf Nicky ist es im Moment wirklich vollkommen verrückt. Er wird finanziell vom Staat nicht genug unterstützt, doch anstatt ihn besser zu untersützen, wird nun angemängelt, dass Camphill ihm nicht die medizinische Unterstützung geben kann, die er bräuchte. Konsequenz ist, dass er eventuell unsere Community verlassen muss. Im Momente wird sehr viel diskutiert und versucht, doch irgendwie Geld vom Staat zu bekommen, um Menschen mit demenentsprechenden Qualifikationen einstellen zu können, um optimal für ihn sorgen zu können. Ich hoffe sehr, dass er irgendwie bleiben kann, weil er einer der Menschen ist, die das Leben hier lebenswert machen. Gerade dadurch, dass seine Kommunikationsmöglichkeiten sehr eingeschränkt sind, habe ich so eine enge Verbindung zu ihm aufgebaut. Ich habe gelernt, die unterschiedlichen Arten von Blitzen, die unterschiedlichen Ausdücke in seinen Augen zu deuten und Wege gefunde,n ihm doch eine gewisse Entscheidungskraft zu ermöglichen. Er ist ein wirklich guter Freund geworden. Was mit Nicky passiert, ist nur ein Beispiel von vielen. HIQA versucht das ganze Leben der Menschen hier in Formulare und Stundenpläne zu zwängen, dabei wird jedoch vergessen, dass das man ein Leben nicht wie einen Stundenplan durchplanen kann. Dieses Entwicklung ist gerade tagtäglich präsent, wir versuchen irgendwie die Camphill-Idee aufrechtzuerhalten und trotz all den Formularen und Risikobeurteilungen einfach meiteinander zu leben, ein ganz "normales Leben" - jedenfalls so normal, wie es auf einem Camphill Hof möglich ist...
1 Kommentar
"Typisch Christina" funktioniert die Technik natürlich mal wieder nicht...
Hier nun also, was ich zu den irischen Krankenhäusern eigentlich schon lange geschrieben hatte: Eine meiner bisher intensivsten Erfahrungen, war meine Nacht in einem irischen Krankenhaus. Ich musste einen unserer Residents begleiten... Er hatte sich während einem epileptischen Anfall erbrochen und das Erbrochene eingeatmet. Da er nicht spricht, musste jemand permanent bei ihm sein und so lernte ich die eines der irischen Krankenhäuser kennen. Diese erinnern einen an das 19. Jahrhundert... Die Patienten sind in großen Schlafsälen untergebracht, mit jeweils mindestens zehn Leuten pro Saal. Für so einen Saal sind dann ein oder zwei Krankenschwestern verantwortlich. Demnach bräuchte eigentlich jeder Patient eine Zweitperson zum Krankenschwestern hinterherrennen, wenn mal wieder irgendwas passiert ist. Ärzte sind nämlich auch eher spärlich und am Wochenende so gut wie gar nicht zu bekommen. Da der Mann, mit dem ich dort war, unter die Intensivpflegefälle gezählt wurde, waren wir im Schlafsaal mit vielen älteren, oft dementen Menschen untergebracht. Oft verirrte sich jemand, vertat sich im Bett. Ich war trotz allem sehr beeindruckt, dass die Krankenschwestern so unglaublich geduldig blieben. Das muss man sagen, sie sind sehr herzlich, immer freundlich und machen so das Krankenhaus-Chaos aushaltbar. Trotz allem verstehe ich nun, weshalb so viele Leute, die nach Irland ziehen, sagen: "Ich möchte eigentlich nicht zurück gehen, aber wenn ich mal wirklich krank werde, dann gehe ich nach Hause zurück." Das gesammte irische Gesundheitssystem ist einfach etwas altertümlich. Aber gut, trotz allem, meinem Freund geht es wieder besser, er hat sich schnell erholt und erfreut sich im Moment in bester Form und Laune am langsam einziehenden Frühling (: Mein erster Urlaub von Camphill! Ich habe eine Woche in Schottland verbracht, habe Edinburgh, Glasgow und die Highlands besucht. Es war sehr gut einmal aus Camphill rauszukommen, da man in dieser Lebensgemeinschaft doch nicht oft die Distanz findet um wirklich darüber zu reflektiern, was man gerade so tut... Ich hatte einen wunderbaren Urlaub und bin mit sehr viel neuer Energie, aber auch mit ein paar Dingen, die ich definitiv ansprechen und anders machen möchte zurück gekommen.
Mir ist klar geworden, wie sehr die Stimmung, die manchmal bei uns im Haus herrscht, doch an einem zehren kann. Einer der Gründe dafür ist unsere Hauskoordinatorin, zuständig für die Organisation von allem was gemacht werden muss (wer wen wohin begleitet, wer kocht, wer auf die Farm geht und so weiter). Sie ist sehr talentiert darin Hektik und Anspannung zu verbreiten und hat zudem einen endlosen Dauerstreit mit einer anderen Dame im Haus. Diese Anspannung springt dann gerne mal auf jeden über, ob Mensch mit oder ohne Behinderung. Jetzt ist schon fast ein Monat vergangen, wir hatten viele Meetings und wir Freiwilligen haben die Umstände im Haus angesprochen, das chronische Kritisieren und Unzufriedensein. Manches hat sich geändert, das Meiste ist jedoch gleich geblieben. Allerdings habe ich gelernt dem ganzen mit mehr Gleichgültigkeit zu begegnen und um der Residents willen nicht mehr auf kleinere Anfeindungen einzugehen und mich vor allem nicht mehr darum zu kümmern. Das wichtigste andere was ich gelernt habe ist, wenn irgendetwas mal wieder nicht gut genug war, nicht immer zu versuchen, es besser zu machen, sondern einfach die Aufgabe an die sich beschwerende Person weiter zu geben. Funktioniert meistens ganz gut und macht mein Leben wirklich leichter ;) Nach langer Zeit hier endlich mal wieder Neues aus Irland! Weihnachten ist vorbei und abgesehen von einer sehr geschäftigen Zeit, liegt eine sehr interessante Zeit hinter mir. Weihnachten in Camphill an sich ist sehr geprägt von Einflüssen aus aller Welt. Definitiv aus Deutschland ist die Tradition des "Wichtelns": Jeder zieht einen Zettel aus einem Topf mit Namenszetteln aller die mitmachen und macht dann dieser Person während der Adventszeit heimlich kleine Geschenke. Zum 6. Januar hin wird dann ein großes Geschenk - am besten selbst gebastelt - gemacht, dass derjenige allerdings nur öffnen darf wenn er errät wer sein geheimer Wichtel war. Das lustigste daran ist allerdings, neben all dem Spekulieren wer wen beschenkt, dass es kein englisches Wort für "Wichteln" gibt und deshalb alle immer mit der Aussprache des Wortes kämpfen. Der 6. Januar hat hier eine viel größere Bedeutung als in Deutschland. Er ist das Ende der sogenannten "Holy Nights", der heiligen Nächte die vom Heiligen Abend an als Zeit der Besinnung, Rückblick und zum Gedanken über das neue Jahr machen gesehen werden. Anthroposophiche Ansicht ist, dass man in jeder dieser zwölf Nächte besondere Träume hat die Aufschluss über das neue Jahr geben. Mit zwölf Nächten hat man jeweils einen Blick in die Zukunft für jeden Monat. Ich kann dazu nur sagen, dass ich mich auch in den "Holy Nights" nicht an meine Träume erinnern kann... Aber gut! Die Zeit zwischen Weihnachten und dem neuen Jahr ist auch eine Zeit mit vielen Möglichkeiten für Ausflüge aller Art. Viele der Residents sind über Weihnachten und das neue Jahr zu Hause und so ist viel Raum für kleine Ausflüge. So sieht man viele kleine schöne Ecken die ich so in der Nähe gar nicht erwartet hätte. Wir haben zum Beispiel einen malerischen kleinen Steinbruch mit See besucht, davon später ein Bildchen. Nun aber noch mal zu Weihnachten an sich. Was mich wirklich sehr erstaunt hat, ist der Camphill-Weihnachtsbaum. Während der Rest der Iren das alles sehr ähnlich zu Deutschland handhabt, wird in Camphills viel Wert auf Symbole gelegt. Es gibt aus Kupferblech gefertigte Symbole, unter anderem für die verschiedenen Planeten, die in ganz bestimmter Reihenfolge an den Baum gehängt werden. Abgesehen davon, haben nur Kerzen, Papierrosen und polierte Äpfel als Dekoration im Baum zu sein. Die Bedeutung all dessen ist mir immer noch nicht ganz klar, das werde ich aber auf jeden Fall nochmal nachforschen. Unter diesem symbolschrweren Weihnachtsbaum haben wir dann gemeinsam Geschenke überreicht. Es wurde sichergestellt, dass jeder in der Community ein Geschenk von der Community an sich bekommt. Wir haben also zwei Gruppen gebildet und jede Gruppe hat sich ein Geschenk für jeweils jeden aus der anderen Gruppe überlegt, was für unglaublich treffende Ideen sorgte. Mit all der Weihnachtszeit einher gingen sehr viele Treffen mit allen aus der Community zum gemeinsamen Singen, Basteln, Ausflüge machen, was einem die Möglichkeit gibt alle doch noch mal näher kennen zu lernen und die Community an sich, alle beisammen, zu erleben. Das war für mich die wohl schönste Weihnachtserfahrung. Es ist leider im Moment etwas schwierig mit dem Veröffentlichen von Bildern mit Residents darauf, weil ich noch nicht rausfinden konnte, inwieweit man diese veröffentlichen darf... Aber hier kommen trotzdem ein paar Eindrücke von unserem Garten, der Farm und Eindrücke von verschiedenen Ausflügen ans Meer oder nach Kilkenny oder Kells mit der Ruine der "Kells Abbey".
Nun bin ich schon über drei Wochen hier - erst drei Wochen und schon drei Wochen. "Camphill-Zeit ist anders als Zeit anderswo" - hier eine gängige Redewendung - trifft es genau. Die Zeit vergeht unglaublich schnell und an einem Tag passiert so unendlich viel Leben. Gleichzeitig habe ich das Gefühl schon ewig hier zu sein und fühle mich in jedem der drei Häuser zu Hause.
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AutorMein Name ist Christina Hainz. Ich schreibe diesen Blog um meine Eindrücke, Erlebnisse und Gedanken zu meiner Zeit in Irland mit allen zu teilen, die mich bei diesem Projekt unterstützen. Archiv
April 2017
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